»Mutti, jetzt siehst Du noch Deinen Ältesten.«
Friedrich Buhlrich am Grab seiner leiblichen Mutter, 2004
Friedrich Buhlrich war bei Adoptiveltern aufgewachsen. Erst im Alter von 20 Jahren hat er erfahren, dass er ein Kind einer Deutschen und eines ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters ist.
Viele Kinder aus verbotenen Beziehungen wussten lange nicht, dass ein Elternteil Kriegsgefangener oder Zwangsarbeiter*in gewesen war. Diejenigen unter ihnen, die bei ihren deutschen Müttern aufwuchsen, fragten sich häufig, wer und wo ihr Vater war. Die Mütter schwiegen oft und ließen Nachfragen unbeantwortet. Hinter dem Schweigen stand neben der Scham vielfach die Sorge vor gesellschaftlicher Ausgrenzung. Andere Kinder waren bei Adoptiveltern aufgewachsen und erfuhren dies teilweise erst sehr spät. Auch sie beschreiben, dass sie gerne früher gewusst hätten, wer ihre leiblichen Eltern sind.
Manchen in den Kriegswirren getrennten Elternpaaren gelang es, sich in der Nachkriegszeit wiederzufinden. Entschieden sie sich dann, als Familie zusammenzuleben, wurden sie in vielen Fällen ausgegrenzt.
Blieb die Familie in Deutschland, wurde der zuvor ausländische Elternteil ebenso wie die gemeinsamen Kinder häufig rassistisch angefeindet. Ging die Familie in das Herkunftsland des*der ehemaligen Zwangsarbeiter*in oder Kriegsgefangenen, erlebten sie oft Ausgrenzung, da die deutsche Herkunft mit den nationalsozialistischen Verbrechen in Verbindung gebracht wurde. In allen Fällen belasteten die Anfeindungen die Kinder bleibend.
Bis heute weiß Hans Schneider nicht, wer sein Vater ist. Von seiner Mutter erfuhr er lediglich, dass er Franzose war und vor dem Krieg bei der Post in Lille gearbeitet hatte.
Foto: unbekannt. Privatbesitz Schneider
Kinder aus verbotenen Beziehungen machten sich oft erst nach dem Tod ihres bekannten Elternteils oder ihrer Pflegeeltern auf die Suche nach dem unbekannten Elternteil bzw. den leiblichen Eltern. Manche hatten schon längere Zeit etwas geahnt oder gewusst, forschten aber aus Rücksicht auf die sozialen Eltern oder ihre Verwandten nicht nach.
Viele suchten Jahrzehnte, sie schrieben Archive an, sahen Telefon- und Adressbücher durch, fuhren an Orte, die mit der Geschichte der Eltern in Verbindung standen, und veröffentlichten Suchanzeigen in Zeitungen. Nicht bei allen war die Suche erfolgreich, insbesondere wenn weder der Name noch das Geburtsdatum der*des Gesuchten bekannt war. Waren die Eltern während des Krieges denunziert und verurteilt worden, konnten gegebenenfalls erhalten gebliebene Gerichtsakten Informationen enthalten.
Kinder aus verbotenen Beziehungen haben auf der Suche nach ihren leiblichen Eltern vielfach unter anderem Archive angeschrieben. Einige ihrer Suchanfragen und die Antworten, die sie erhielten, können hier eingesehen werden.
Die ehemaligen Kriegsgefangenen oder Zwangsarbeiter*innen, nach denen die Kinder aus verbotenen Beziehungen suchten, waren möglicherweise bereits vor ihrer Gefangennahme verheiratet gewesen oder hatten nach ihrer Rückkehr eine neue Familie gegründet. Die suchenden Kinder mussten daher entscheiden, ob sie mit diesem neuen Teil ihrer Familie in Kontakt treten wollten. Manche entschieden sich dagegen. Sie hatten Angst vor Ablehnung oder befürchteten, Konflikte in die Familie zu tragen. Manche nahmen jedoch Kontakt auf, und einigen von ihnen gelang es, eine Verbindung zu ihren leiblichen Eltern oder anderen Verwandten aufzubauen. Andere wiederum mussten die Erfahrung machen, von dem neuen Familienteil abgelehnt zu werden.
Die Verfolgung der Eltern und die Ausgrenzungserfahrungen der Kinder aus verbotenen Beziehungen in der Nachkriegszeit wirken noch in der dritten und vierten Generation nach. In manchen Fällen war die eigene Geschichte für die Kinder der Verfolgten so schmerzhaft, dass sie selbst nicht darüber sprachen. Oft begannen erst Enkel*innen oder Urenkel*innen mit der Recherche der Familiengeschichte und der Suche nach Familienmitgliedern.
Auch in den Fällen, in denen die mittlerweile betagten Kinder aus verbotenen Beziehungen die eigene Geschichte erforschen, sind es häufig Enkel*innen und Urenkel*innen, die sie unterstützen, sie zu Zeitzeug*innengesprächen begleiten und die Geschichte weitertragen.
»Mutti, jetzt siehst Du noch Deinen Ältesten.«
Friedrich Buhlrich am Grab seiner leiblichen Mutter, 2004
Friedrich Buhlrich war bei Adoptiveltern aufgewachsen. Erst im Alter von 20 Jahren hat er erfahren, dass er ein Kind einer Deutschen und eines ehemaligen polnischen Zwangsarbeiters ist.
Viele Kinder aus verbotenen Beziehungen wussten lange nicht, dass ein Elternteil Kriegsgefangener oder Zwangsarbeiter*in gewesen war. Diejenigen unter ihnen, die bei ihren deutschen Müttern aufwuchsen, fragten sich häufig, wer und wo ihr Vater war. Die Mütter schwiegen oft und ließen Nachfragen unbeantwortet. Hinter dem Schweigen stand neben der Scham vielfach die Sorge vor gesellschaftlicher Ausgrenzung. Andere Kinder waren bei Adoptiveltern aufgewachsen und erfuhren dies teilweise erst sehr spät. Auch sie beschreiben, dass sie gerne früher gewusst hätten, wer ihre leiblichen Eltern sind.
Manchen in den Kriegswirren getrennten Elternpaaren gelang es, sich in der Nachkriegszeit wiederzufinden. Entschieden sie sich dann, als Familie zusammenzuleben, wurden sie in vielen Fällen ausgegrenzt.
Blieb die Familie in Deutschland, wurde der zuvor ausländische Elternteil ebenso wie die gemeinsamen Kinder häufig rassistisch angefeindet. Ging die Familie in das Herkunftsland des*der ehemaligen Zwangsarbeiter*in oder Kriegsgefangenen, erlebten sie oft Ausgrenzung, da die deutsche Herkunft mit den nationalsozialistischen Verbrechen in Verbindung gebracht wurde. In allen Fällen belasteten die Anfeindungen die Kinder bleibend.
Bis heute weiß Hans Schneider nicht, wer sein Vater ist. Von seiner Mutter erfuhr er lediglich, dass er Franzose war und vor dem Krieg bei der Post in Lille gearbeitet hatte.
Foto: unbekannt. Privatbesitz Schneider
Kinder aus verbotenen Beziehungen machten sich oft erst nach dem Tod ihres bekannten Elternteils oder ihrer Pflegeeltern auf die Suche nach dem unbekannten Elternteil bzw. den leiblichen Eltern. Manche hatten schon längere Zeit etwas geahnt oder gewusst, forschten aber aus Rücksicht auf die sozialen Eltern oder ihre Verwandten nicht nach.
Viele suchten Jahrzehnte, sie schrieben Archive an, sahen Telefon- und Adressbücher durch, fuhren an Orte, die mit der Geschichte der Eltern in Verbindung standen, und veröffentlichten Suchanzeigen in Zeitungen. Nicht bei allen war die Suche erfolgreich, insbesondere wenn weder der Name noch das Geburtsdatum der*des Gesuchten bekannt war. Waren die Eltern während des Krieges denunziert und verurteilt worden, konnten gegebenenfalls erhalten gebliebene Gerichtsakten Informationen enthalten.
Kinder aus verbotenen Beziehungen haben auf der Suche nach ihren leiblichen Eltern vielfach unter anderem Archive angeschrieben. Einige ihrer Suchanfragen und die Antworten, die sie erhielten, können hier eingesehen werden.
Die ehemaligen Kriegsgefangenen oder Zwangsarbeiter*innen, nach denen die Kinder aus verbotenen Beziehungen suchten, waren möglicherweise bereits vor ihrer Gefangennahme verheiratet gewesen oder hatten nach ihrer Rückkehr eine neue Familie gegründet. Die suchenden Kinder mussten daher entscheiden, ob sie mit diesem neuen Teil ihrer Familie in Kontakt treten wollten. Manche entschieden sich dagegen. Sie hatten Angst vor Ablehnung oder befürchteten, Konflikte in die Familie zu tragen. Manche nahmen jedoch Kontakt auf, und einigen von ihnen gelang es, eine Verbindung zu ihren leiblichen Eltern oder anderen Verwandten aufzubauen. Andere wiederum mussten die Erfahrung machen, von dem neuen Familienteil abgelehnt zu werden.
Die Verfolgung der Eltern und die Ausgrenzungserfahrungen der Kinder aus verbotenen Beziehungen in der Nachkriegszeit wirken noch in der dritten und vierten Generation nach. In manchen Fällen war die eigene Geschichte für die Kinder der Verfolgten so schmerzhaft, dass sie selbst nicht darüber sprachen. Oft begannen erst Enkel*innen oder Urenkel*innen mit der Recherche der Familiengeschichte und der Suche nach Familienmitgliedern.
Auch in den Fällen, in denen die mittlerweile betagten Kinder aus verbotenen Beziehungen die eigene Geschichte erforschen, sind es häufig Enkel*innen und Urenkel*innen, die sie unterstützen, sie zu Zeitzeug*innengesprächen begleiten und die Geschichte weitertragen.
trotzdem da! – Kinder aus verbotenen Beziehungen zwischen Deutschen und Kriegsgefangenen oder Zwangsarbeiter*innen ist ein Projekt der Gedenkstätte Lager Sandbostel. Es wird in der Bildungsagenda NS-Unrecht von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) gefördert.
Kooperationspartner*innen sind die KZ-Gedenkstätte Neuengamme, das Projekt Multi-peRSPEKTif (Denkort Bunker Valentin / Landeszentrale für politische Bildung Bremen) und das Kompetenzzentrum für Lehrer(innen)fortbildung Bad Bederkesa.
trotzdem da! – Kinder aus verbotenen Beziehungen zwischen Deutschen und Kriegsgefangenen oder Zwangsarbeiter*innen ist ein Projekt der Gedenkstätte Lager Sandbostel. Es wird in der Bildungsagenda NS-Unrecht von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) gefördert.
Kooperationspartner*innen sind die KZ-Gedenkstätte Neuengamme, das Projekt Multi-peRSPEKTif (Denkort Bunker Valentin / Landeszentrale für politische Bildung Bremen) und das Kompetenzzentrum für Lehrer(innen)fortbildung Bad Bederkesa.