Anton Model wuchs auf einem Obst- und Weinhof in Hagnau am Bodensee auf. Als naturbegeistertes Kind half er schon früh mit. Er liebte das Singen und war engagierter Pfadfinder. Als er zwölf Jahre alt war, fand er im Nachttisch seiner Eltern Unterlagen, aus denen hervorging, dass er adoptiert worden war und seine leibliche Mutter die Ukrainerin Warga Taran ist. Anton war verwirrt, behielt seine Entdeckung aber für sich. Er machte eine Ausbildung zum Baumwart, heiratete und übernahm den elterlichen Hof. Erst in den 1980er-Jahren begann Anton mit der Suche nach seinen leiblichen Eltern. Mithilfe verschiedener Organisationen und Archive fand er ihre Adressen. Zu seinem Erstaunen wohnte sein Vater nicht weit entfernt. Bald traute Anton sich, zu ihm zu fahren. Antons Vater freute sich über den Besuch und erkannte die Vaterschaft 1984 offiziell an. Die Suche nach seiner Mutter in der Sowjetunion war für Anton sehr viel schwieriger. Erst 1993 fand er sie mithilfe seines polnischen Freundes und Mitarbeiters Bogdan Dziwanowski in der Ukraine. Anton erinnert sich noch heute an das überwältigende Gefühl, als seine Mutter ihn, den damals 50-Jährigen, mit den Worten »Mein Kind, mein Kind!« in die Arme schloss.
Weil er am 31. Dezember geboren wurde, bekam Anton von seiner Mutter Warga den zweiten Vornamen Silvester. Den Nachnamen erhielt er bei seiner Adoption durch das Ehepaar Model 1950.
Privatbesitz Model
Warga Taran starb 2004 im Alter von 78 Jahren.
Foto: unbekannt. Privatbesitz Model
Warga Taran wurde mit 15 Jahren zur Zwangsarbeit in das Deutsche Reich verschleppt. Sie musste bei Antons Vater arbeiten, der seinen Hof und die Kinder als Witwer allein versorgt hatte. Über die Beziehung von Antons Eltern ist wenig bekannt. Als Warga schwanger wurde, wurde sie von der Gestapo verhaftet und verhört, jedoch kurz darauf wieder entlassen. Nach Kriegsende ließ sie sich als Displaced Person registrieren und kehrte in ihre Heimat zurück. Warum Anton in Deutschland blieb, ist nicht eindeutig geklärt. Seine Mutter erzählte ihm später, dass die deutschen Behörden sie gezwungen hätten, ihn zurückzulassen. Noch vor Antons Geburt wurde sein Vater als Wehrmachtssoldat in Frankreich stationiert. Dort geriet er im August 1944 in Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Entlassung kehrte er im Frühjahr 1946 auf seinen Hof zurück. Er hat nie nach Warga oder nach seinem Sohn gesucht.
»Ich habe viele Freunde und Unterstützer.
Ohne sie wäre es mir nie gelungen, meine Mutter zu finden.«
Bis auf die drei Jahre, in denen sie als Zwangsarbeiterin im Deutschen Reich war, lebte Antons Mutter in Woroniwka in der Ukraine, die bis 1991 Teil der Sowjetunion war.
Foto: unbekannt. Privatbesitz Model
Im September 1944 waren etwa ein Drittel der im Deutschen Reich zur Zwangsarbeit Verpflichteten Frauen. Sie mussten vor allem in der Landwirtschaft und als Hausangestellte arbeiten. Sie unterlagen denselben diskriminierenden Vorschriften wie Männer, waren darüber hinaus jedoch von geschlechtsspezifischer Benachteiligung betroffen. Bei sexuellen Übergriffen durch Arbeitgeber oder andere Arbeiter konnten sie sich rechtlich kaum wehren. Eine Schwangerschaft wurde von den NS-Behörden als »Sabotage im Arbeitseinsatz« betrachtet. Zwangsarbeiterinnen galten nur als »nützlich«, wenn sie arbeiten konnten. Frauen aus Polen und der Sowjetunion waren zusätzlich benachteiligt, weil sie anders als Westeuropäerinnen vom nationalsozialistischen Rassismus betroffen waren.
Anton Model konnte zu vielen seiner Verwandten eine enge Beziehung aufbauen. Bis zu ihrem Tod war er sowohl mit seinen Adoptiveltern als auch mit seinen leiblichen Eltern verbunden. Auch zu seinen deutschen und ukrainischen Halbgeschwistern hat er regelmäßig Kontakt. Immer wieder waren Anton und Teile seiner deutschen Familie zu Besuch in der Ukraine. Für Antons Kinder war es selbstverständlich, in einer binationalen Großfamilie aufzuwachsen. Sein Sohn Franz, der ihn mehrfach in die Ukraine begleitete, wunderte sich als Kind sogar darüber, dass andere Kinder nicht auch drei Großväter hatten. Anton telefoniert bis heute regelmäßig mit seiner Halbschwester Tanya Kiyan in der Ukraine. Ihr Sohn verbrachte 2022 mehrere Monate bei den Models und hat Anton auch zu seinem 80. Geburtstag besucht.
Foto: unbekannt. Privatbesitz Model
Anton Model wuchs auf einem Obst- und Weinhof in Hagnau am Bodensee auf. Als naturbegeistertes Kind half er schon früh mit. Er liebte das Singen und war engagierter Pfadfinder. Als er zwölf Jahre alt war, fand er im Nachttisch seiner Eltern Unterlagen, aus denen hervorging, dass er adoptiert worden war und seine leibliche Mutter die Ukrainerin Warga Taran ist. Anton war verwirrt, behielt seine Entdeckung aber für sich. Er machte eine Ausbildung zum Baumwart, heiratete und übernahm den elterlichen Hof. Erst in den 1980er-Jahren begann Anton mit der Suche nach seinen leiblichen Eltern. Mithilfe verschiedener Organisationen und Archive fand er ihre Adressen. Zu seinem Erstaunen wohnte sein Vater nicht weit entfernt. Bald traute Anton sich, zu ihm zu fahren. Antons Vater freute sich über den Besuch und erkannte die Vaterschaft 1984 offiziell an. Die Suche nach seiner Mutter in der Sowjetunion war für Anton sehr viel schwieriger. Erst 1993 fand er sie mithilfe seines polnischen Freundes und Mitarbeiters Bogdan Dziwanowski in der Ukraine. Anton erinnert sich noch heute an das überwältigende Gefühl, als seine Mutter ihn, den damals 50-Jährigen, mit den Worten »Mein Kind, mein Kind!« in die Arme schloss.
Weil er am 31. Dezember geboren wurde, bekam Anton von seiner Mutter Warga den zweiten Vornamen Silvester. Den Nachnamen erhielt er bei seiner Adoption durch das Ehepaar Model 1950.
Privatbesitz Model
Warga Taran starb 2004 im Alter von 78 Jahren.
Foto: unbekannt. Privatbesitz Model
Warga Taran wurde mit 15 Jahren zur Zwangsarbeit in das Deutsche Reich verschleppt. Sie musste bei Antons Vater arbeiten, der seinen Hof und die Kinder als Witwer allein versorgt hatte. Über die Beziehung von Antons Eltern ist wenig bekannt. Als Warga schwanger wurde, wurde sie von der Gestapo verhaftet und verhört, jedoch kurz darauf wieder entlassen. Nach Kriegsende ließ sie sich als Displaced Person registrieren und kehrte in ihre Heimat zurück. Warum Anton in Deutschland blieb, ist nicht eindeutig geklärt. Seine Mutter erzählte ihm später, dass die deutschen Behörden sie gezwungen hätten, ihn zurückzulassen. Noch vor Antons Geburt wurde sein Vater als Wehrmachtssoldat in Frankreich stationiert. Dort geriet er im August 1944 in Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Entlassung kehrte er im Frühjahr 1946 auf seinen Hof zurück. Er hat nie nach Warga oder nach seinem Sohn gesucht.
»Ich habe viele Freunde und Unterstützer.
Ohne sie wäre es mir nie gelungen, meine Mutter zu finden.«
Bis auf die drei Jahre, in denen sie als Zwangsarbeiterin im Deutschen Reich war, lebte Antons Mutter in Woroniwka in der Ukraine, die bis 1991 Teil der Sowjetunion war.
Foto: unbekannt. Privatbesitz Model
Im September 1944 waren etwa ein Drittel der im Deutschen Reich zur Zwangsarbeit Verpflichteten Frauen. Sie mussten vor allem in der Landwirtschaft und als Hausangestellte arbeiten. Sie unterlagen denselben diskriminierenden Vorschriften wie Männer, waren darüber hinaus jedoch von geschlechtsspezifischer Benachteiligung betroffen. Bei sexuellen Übergriffen durch Arbeitgeber oder andere Arbeiter konnten sie sich rechtlich kaum wehren. Eine Schwangerschaft wurde von den NS-Behörden als »Sabotage im Arbeitseinsatz« betrachtet. Zwangsarbeiterinnen galten nur als »nützlich«, wenn sie arbeiten konnten. Frauen aus Polen und der Sowjetunion waren zusätzlich benachteiligt, weil sie anders als Westeuropäerinnen vom nationalsozialistischen Rassismus betroffen waren.
Anton Model konnte zu vielen seiner Verwandten eine enge Beziehung aufbauen. Bis zu ihrem Tod war er sowohl mit seinen Adoptiveltern als auch mit seinen leiblichen Eltern verbunden. Auch zu seinen deutschen und ukrainischen Halbgeschwistern hat er regelmäßig Kontakt. Immer wieder waren Anton und Teile seiner deutschen Familie zu Besuch in der Ukraine. Für Antons Kinder war es selbstverständlich, in einer binationalen Großfamilie aufzuwachsen. Sein Sohn Franz, der ihn mehrfach in die Ukraine begleitete, wunderte sich als Kind sogar darüber, dass andere Kinder nicht auch drei Großväter hatten. Anton telefoniert bis heute regelmäßig mit seiner Halbschwester Tanya Kiyan in der Ukraine. Ihr Sohn verbrachte 2022 mehrere Monate bei den Models und hat Anton auch zu seinem 80. Geburtstag besucht.
Foto: unbekannt. Privatbesitz Model
trotzdem da! – Kinder aus verbotenen Beziehungen zwischen Deutschen und Kriegsgefangenen oder Zwangsarbeiter*innen ist ein Projekt der Gedenkstätte Lager Sandbostel. Es wird in der Bildungsagenda NS-Unrecht von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) gefördert.
Kooperationspartner*innen sind die KZ-Gedenkstätte Neuengamme, das Projekt Multi-peRSPEKTif (Denkort Bunker Valentin / Landeszentrale für politische Bildung Bremen) und das Kompetenzzentrum für Lehrer(innen)fortbildung Bad Bederkesa.
trotzdem da! – Kinder aus verbotenen Beziehungen zwischen Deutschen und Kriegsgefangenen oder Zwangsarbeiter*innen ist ein Projekt der Gedenkstätte Lager Sandbostel. Es wird in der Bildungsagenda NS-Unrecht von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) gefördert.
Kooperationspartner*innen sind die KZ-Gedenkstätte Neuengamme, das Projekt Multi-peRSPEKTif (Denkort Bunker Valentin / Landeszentrale für politische Bildung Bremen) und das Kompetenzzentrum für Lehrer(innen)fortbildung Bad Bederkesa.