Gabriele Lapp wuchs in der Nähe von Ludwigsburg in Württemberg auf. Als sie sechs Jahre alt war, erzählte ihr das Nachbarkind Marianne, ihre Eltern seien nicht ihre »richtigen« Eltern. Zu Hause erfuhr sie, dass Marianne Recht hatte und Marianne außerdem Gabrieles Halbschwester und ebenfalls ein Pflegekind war. Sie hatten dieselbe deutsche Mutter und verschiedene französische Väter. Gabriele war traurig und schockiert. Halt fand sie in dem guten Verhältnis zu ihren Pflegeeltern, die nie schlecht über ihre leiblichen Eltern sprachen. Mit 17 Jahren lernte Gabriele ihren späteren Mann Jürgen Lapp kennen. Sie zog zu ihm nach Hamburg und gründete dort eine Familie. Bei einem Sommerurlaub in Frankreich 1977 ging Gabriele zu der letzten bekannten Adresse ihres leiblichen Vaters, die ihre Mutter ihren Pflegeeltern gegeben hatte. Sie stand vor der Tür, traute sich aber nicht, zu klingeln.
Nach dem Tod ihrer Adoptiveltern setzte sie die Suche nach ihrer leiblichen Familie fort. Über das Internet fand sie weitere Halbgeschwister und ihre Mutter Maria Rogalski in den USA. Ein erstes Telefonat 1996 war für Gabriele jedoch enttäuschend, da ihre Mutter kein Interesse an einem Treffen hatte.
Nach Kriegsende zog Maria mit ihrem zweiten Mann Eugene Rogalski ohne ihre Kinder in die USA. Aus dieser zweiten Ehe sind drei weitere Kinder hervorgegangen.
Foto: unbekannt. Privatbesitz Bartl
Gabriele Lapps Mutter Maria hatte bereit sechs Kinder mit ihrem Mann, dem in Berlin stationierten SS-Mann Wilhelm Dall’Osteria, als sie 1943 eine Beziehung mit dem französischen Kriegsgefangenen Paul H. einging. Die beiden bekamen eine gemeinsame Tochter, Marianne. Ein Jahr später wurde Maria wegen »verbotenen Umgangs mit Kriegsgefangenen« zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Bei Haftantritt war sie mit Gabriele schwanger. Vater war der französische Zwangsarbeiter Noël Q., der in einer Fabrik in der Nähe ihrer Wohnung arbeiten musste. Zwei Monate vor Gabrieles Geburt wurde Maria vorzeitig aus der Haft entlassen. Noël Q. kehrte im April 1945 nach Frankreich zurück. Kurz nach Ende des Krieges heiratete er. Mit seiner Familie sprach er nicht über Maria und das gemeinsame Kind.
»Ich glaube, ich habe etwas Französisches in mir.«
Ein Teil der Kriegsgefangenen im Deutschen Reich wurde im Laufe des Krieges formal aus der Kriegsgefangenschaft entlassen und in den »Zivilarbeiterstatus« überführt. Die NS-Behörden versuchten so, das Genfer Abkommen zu umgehen, das Kriegsgefangenen Rechte und Schutz zusprach. Von den ca. 1,3 Millionen französischen Kriegsgefangenen erhielten ca. 220 000 den »Zivilarbeiterstatus«. Zusätzlich wurden ca. 700 000 französische Zivilist*innen zur Zwangsarbeit in das Deutsche Reich gebracht. Mit den Statusunterschieden waren unterschiedliche Regelungen für den Kontakt mit Deutschen verbunden. So gab es beispielsweise für den Umgang zwischen französischen Zwangsarbeiter*innen und Deutschen keine Vorschriften. Dies führte zu Verunsicherung in der Bevölkerung und zu widersprüchlichem Vorgehen von Polizei, Gestapo und Justiz.
Noël Q. war im Juli 1943 als Zwangsarbeiter in das gekommen. Bis zum 8. April 1945 musste er in der Schumacher’schen Fabrik in der Altstadt von Bietigheim arbeiten.
Stadtarchiv Bietigheim-Bissingen
In ihrer Kindheit und Jugend fühlte sich Gabriele oft einsam. In ihrem Umfeld war bekannt, dass sie das uneheliche Kind eines Franzosen und einer Deutschen war. Eltern verboten deshalb ihren Kindern, mit Gabriele zu spielen. In der Schule hatte sie den Eindruck, für gleiche Leistungen schlechtere Noten zu bekommen. Das Sorgerecht für Gabriele erhielten nicht ihre Pflegeeltern, sondern ein amtlicher Vormund. An die Behandlung durch den Vormund hat Gabriele keine guten Erinnerungen. Er verhinderte, dass sie einen höheren Schulabschluss machen konnte. Immer wieder bestellte er sie zu sich, um ihr vorzuwerfen, sie würde sich unanständig verhalten. Großen Rückhalt erfuhr Gabriele jedoch durch ihre Pflegeeltern, die sich immer wieder in der Schule und bei dem Vormund für sie einsetzten.
Gabriele Lapp wuchs in der Nähe von Ludwigsburg in Württemberg auf. Als sie sechs Jahre alt war, erzählte ihr das Nachbarkind Marianne, ihre Eltern seien nicht ihre »richtigen« Eltern. Zu Hause erfuhr sie, dass Marianne Recht hatte und Marianne außerdem Gabrieles Halbschwester und ebenfalls ein Pflegekind war. Sie hatten dieselbe deutsche Mutter und verschiedene französische Väter. Gabriele war traurig und schockiert. Halt fand sie in dem guten Verhältnis zu ihren Pflegeeltern, die nie schlecht über ihre leiblichen Eltern sprachen. Mit 17 Jahren lernte Gabriele ihren späteren Mann Jürgen Lapp kennen. Sie zog zu ihm nach Hamburg und gründete dort eine Familie. Bei einem Sommerurlaub in Frankreich 1977 ging Gabriele zu der letzten bekannten Adresse ihres leiblichen Vaters, die ihre Mutter ihren Pflegeeltern gegeben hatte. Sie stand vor der Tür, traute sich aber nicht, zu klingeln.
Nach dem Tod ihrer Adoptiveltern setzte sie die Suche nach ihrer leiblichen Familie fort. Über das Internet fand sie weitere Halbgeschwister und ihre Mutter Maria Rogalski in den USA. Ein erstes Telefonat 1996 war für Gabriele jedoch enttäuschend, da ihre Mutter kein Interesse an einem Treffen hatte.
Nach Kriegsende zog Maria mit ihrem zweiten Mann Eugene Rogalski ohne ihre Kinder in die USA. Aus dieser zweiten Ehe sind drei weitere Kinder hervorgegangen.
Foto: unbekannt. Privatbesitz Bartl
Gabriele Lapps Mutter Maria hatte bereit sechs Kinder mit ihrem Mann, dem in Berlin stationierten SS-Mann Wilhelm Dall’Osteria, als sie 1943 eine Beziehung mit dem französischen Kriegsgefangenen Paul H. einging. Die beiden bekamen eine gemeinsame Tochter, Marianne. Ein Jahr später wurde Maria wegen »verbotenen Umgangs mit Kriegsgefangenen« zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Bei Haftantritt war sie mit Gabriele schwanger. Vater war der französische Zwangsarbeiter Noël Q., der in einer Fabrik in der Nähe ihrer Wohnung arbeiten musste. Zwei Monate vor Gabrieles Geburt wurde Maria vorzeitig aus der Haft entlassen. Noël Q. kehrte im April 1945 nach Frankreich zurück. Kurz nach Ende des Krieges heiratete er. Mit seiner Familie sprach er nicht über Maria und das gemeinsame Kind.
»Ich glaube, ich habe etwas Französisches in mir.«
Ein Teil der Kriegsgefangenen im Deutschen Reich wurde im Laufe des Krieges formal aus der Kriegsgefangenschaft entlassen und in den »Zivilarbeiterstatus« überführt. Die NS-Behörden versuchten so, das Genfer Abkommen zu umgehen, das Kriegsgefangenen Rechte und Schutz zusprach. Von den ca. 1,3 Millionen französischen Kriegsgefangenen erhielten ca. 220 000 den »Zivilarbeiterstatus«. Zusätzlich wurden ca. 700 000 französische Zivilist*innen zur Zwangsarbeit in das Deutsche Reich gebracht. Mit den Statusunterschieden waren unterschiedliche Regelungen für den Kontakt mit Deutschen verbunden. So gab es beispielsweise für den Umgang zwischen französischen Zwangsarbeiter*innen und Deutschen keine Vorschriften. Dies führte zu Verunsicherung in der Bevölkerung und zu widersprüchlichem Vorgehen von Polizei, Gestapo und Justiz.
Noël Q. war im Juli 1943 als Zwangsarbeiter in das gekommen. Bis zum 8. April 1945 musste er in der Schumacher’schen Fabrik in der Altstadt von Bietigheim arbeiten.
Stadtarchiv Bietigheim-Bissingen
In ihrer Kindheit und Jugend fühlte sich Gabriele oft einsam. In ihrem Umfeld war bekannt, dass sie das uneheliche Kind eines Franzosen und einer Deutschen war. Eltern verboten deshalb ihren Kindern, mit Gabriele zu spielen. In der Schule hatte sie den Eindruck, für gleiche Leistungen schlechtere Noten zu bekommen. Das Sorgerecht für Gabriele erhielten nicht ihre Pflegeeltern, sondern ein amtlicher Vormund. An die Behandlung durch den Vormund hat Gabriele keine guten Erinnerungen. Er verhinderte, dass sie einen höheren Schulabschluss machen konnte. Immer wieder bestellte er sie zu sich, um ihr vorzuwerfen, sie würde sich unanständig verhalten. Großen Rückhalt erfuhr Gabriele jedoch durch ihre Pflegeeltern, die sich immer wieder in der Schule und bei dem Vormund für sie einsetzten.
trotzdem da! – Kinder aus verbotenen Beziehungen zwischen Deutschen und Kriegsgefangenen oder Zwangsarbeiter*innen ist ein Projekt der Gedenkstätte Lager Sandbostel. Es wird in der Bildungsagenda NS-Unrecht von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) gefördert.
Kooperationspartner*innen sind die KZ-Gedenkstätte Neuengamme, das Projekt Multi-peRSPEKTif (Denkort Bunker Valentin / Landeszentrale für politische Bildung Bremen) und das Kompetenzzentrum für Lehrer(innen)fortbildung Bad Bederkesa.
trotzdem da! – Kinder aus verbotenen Beziehungen zwischen Deutschen und Kriegsgefangenen oder Zwangsarbeiter*innen ist ein Projekt der Gedenkstätte Lager Sandbostel. Es wird in der Bildungsagenda NS-Unrecht von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) gefördert.
Kooperationspartner*innen sind die KZ-Gedenkstätte Neuengamme, das Projekt Multi-peRSPEKTif (Denkort Bunker Valentin / Landeszentrale für politische Bildung Bremen) und das Kompetenzzentrum für Lehrer(innen)fortbildung Bad Bederkesa.