Ingelore Prochnow wuchs bei Adoptiveltern auf, denen sie im Alter von 12 Jahren versprechen musste, niemals nach ihren leiblichen Eltern zu suchen. Sie gab dieses Versprechen, wusste aber, dass sie es nicht würde halten können. Nach der Schule machte Ingelore eine Ausbildung als Versicherungskauffrau. Mit 17 Jahren lernte sie ihren späteren Mann Klaus Prochnow kennen, mit dem sie eine Familie gründete. Die Frage, wer ihre leiblichen Eltern waren, lies Ingelore nie los. Nach dem Tod der Adoptiveltern begann sie mit ihrer Suche. Damals war sie 40 Jahre alt. Sie fand heraus, dass sie im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück geboren wurde.
Diese Information machte sie fassungslos und warf viele Fragen auf. Erst nach jahrelanger Recherche fand sie ihre Mutter. Die Begegnung mit ihr war für Ingelore jedoch eine Enttäuschung. Ihre Mutter beantwortete kaum ihre Fragen und schien sich nicht für ihr Leben zu interessieren. Die beiden bauten keine Beziehung auf. Erst im Jahr 2011 erfuhr Ingelore den vollständigen Namen ihres polnischen Vaters, der zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben war. Aus Sorge vor einer erneuten Enttäuschung nahm sie mit ihrer Familie in Polen keinen Kontakt auf.
Jan Gawroński war 30 Jahre alt, als er 1939 als polnischer Soldat in deutsche Kriegsgefangenschaft geriet. 1942 wurde er in den »Zivilarbeiterstatus« überführt. Er musste auf einem Bauernhof in der Nähe von Magdeburg arbeiten. Dort lernte er Ingelores Mutter Renate Rohde kennen. Die beiden wurden denunziert und daraufhin verhaftet. Jan Gawroński wurde in mehreren Konzentrationslagern inhaftiert, darunter im SS-Sonderlager Hinzert bei Trier. Die SS prüfte ihn dort auf »Eindeutschungsfähigkeit«, die ihm aber abgesprochen wurde. Nach der Befreiung kehrte er nach Polen zurück. Ingelores Mutter war 19 Jahre alt und im fünften Monat schwanger, als sie im Dezember 1943 in das KZ Ravensbrück überstellt wurde. Nach der Befreiung war sie mit ihrer Tochter Ingelore in einem Lager für Displaced Persons in Siegen untergebracht, das Renate Rohde 1947 jedoch ohne ihre Tochter verließ.
Das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück
Im Jahr 1939 richtete die SS im Norden Brandenburgs das größte Frauen Konzentrationslager im Deutschen Reich ein. Etwa 120 000 Frauen und Kinder und 1200 weibliche Jugendliche sowie auch 20 000 Männer wurden als Häftlinge registriert. Sie kamen aus über 40 Nationen. Etwa 3500 der Frauen wurden wegen »Verkehrs mit Fremdvölkischen« – Kriegsgefangenen oder Zwangsarbeitern – eingewiesen. Die SS kennzeichnete sie mit einem roten Dreieck als politische Häftlinge, Mithäftlinge bezeichneten sie jedoch oft abfällig als »Bettpolitische«. Kamen Schwangere in das KZ, wurden sie in manchen Fällen zur Abtreibung gezwungen. Es gab andererseits aber auch einen Geburtenblock. Die meisten der dort geborenen Kinder überlebten nicht. Im KZ Ravensbrück starben etwa 28 000 Menschen durch schlechte Versorgung, schwerste Arbeit und gezielte Mordaktionen.
Allein zwischen September 1944 und April 1945 wurden mindestens 522 Kinder im KZ Ravensbrück geboren.
Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück
»Ich hatte gehofft, mein Suchen sei nun zu Ende. Aber zu meinem größten Kummer saß mir eine völlig fremde Frau gegenüber.«
Ingelore Prochnow war zum Zeitpunkt ihrer Befreiung erst ein Jahr alt und kann sich an die Zeit im KZ Ravensbrück nicht erinnern. Dennoch haben die frühkindlichen Erfahrungen von Hunger, Kälte, Gewalt und Angst ihr Leben dauerhaft geprägt. Ingelore betont immer wieder, dass diese traumatischen Erfahrungen sich über Generationen fortschreiben und auch auf ihre eigenen Kinder Einfluss haben. Erst als Erwachsene fand Ingelore in der Lagergemeinschaft Ravensbrück den Trost und den Halt, den sie sich ihr Leben lang gewünscht hatte. Ihre brennendste Frage war, wie sie als Säugling die KZ-Haft hatte überleben können. Die älteren Überlebenden berichteten ihr daraufhin von der Solidarität unter den Frauen, die sich gemeinsam um das Überleben der Neugeborenen bemüht hatten.
Für die Gedenktafel hatte sich Ingelore Prochnow eingesetzt.
Foto: Britta Pawelke. Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück
Ingelore Prochnow wuchs bei Adoptiveltern auf, denen sie im Alter von 12 Jahren versprechen musste, niemals nach ihren leiblichen Eltern zu suchen. Sie gab dieses Versprechen, wusste aber, dass sie es nicht würde halten können. Nach der Schule machte Ingelore eine Ausbildung als Versicherungskauffrau. Mit 17 Jahren lernte sie ihren späteren Mann Klaus Prochnow kennen, mit dem sie eine Familie gründete. Die Frage, wer ihre leiblichen Eltern waren, lies Ingelore nie los. Nach dem Tod der Adoptiveltern begann sie mit ihrer Suche. Damals war sie 40 Jahre alt. Sie fand heraus, dass sie im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück geboren wurde.
Diese Information machte sie fassungslos und warf viele Fragen auf. Erst nach jahrelanger Recherche fand sie ihre Mutter. Die Begegnung mit ihr war für Ingelore jedoch eine Enttäuschung. Ihre Mutter beantwortete kaum ihre Fragen und schien sich nicht für ihr Leben zu interessieren. Die beiden bauten keine Beziehung auf. Erst im Jahr 2011 erfuhr Ingelore den vollständigen Namen ihres polnischen Vaters, der zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben war. Aus Sorge vor einer erneuten Enttäuschung nahm sie mit ihrer Familie in Polen keinen Kontakt auf.
Jan Gawroński war 30 Jahre alt, als er 1939 als polnischer Soldat in deutsche Kriegsgefangenschaft geriet. 1942 wurde er in den »Zivilarbeiterstatus« überführt. Er musste auf einem Bauernhof in der Nähe von Magdeburg arbeiten. Dort lernte er Ingelores Mutter Renate Rohde kennen. Die beiden wurden denunziert und daraufhin verhaftet. Jan Gawroński wurde in mehreren Konzentrationslagern inhaftiert, darunter im SS-Sonderlager Hinzert bei Trier. Die SS prüfte ihn dort auf »Eindeutschungsfähigkeit«, die ihm aber abgesprochen wurde. Nach der Befreiung kehrte er nach Polen zurück. Ingelores Mutter war 19 Jahre alt und im fünften Monat schwanger, als sie im Dezember 1943 in das KZ Ravensbrück überstellt wurde. Nach der Befreiung war sie mit ihrer Tochter Ingelore in einem Lager für Displaced Persons in Siegen untergebracht, das Renate Rohde 1947 jedoch ohne ihre Tochter verließ.
Das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück
Im Jahr 1939 richtete die SS im Norden Brandenburgs das größte Frauen Konzentrationslager im Deutschen Reich ein. Etwa 120 000 Frauen und Kinder und 1200 weibliche Jugendliche sowie auch 20 000 Männer wurden als Häftlinge registriert. Sie kamen aus über 40 Nationen. Etwa 3500 der Frauen wurden wegen »Verkehrs mit Fremdvölkischen« – Kriegsgefangenen oder Zwangsarbeitern – eingewiesen. Die SS kennzeichnete sie mit einem roten Dreieck als politische Häftlinge, Mithäftlinge bezeichneten sie jedoch oft abfällig als »Bettpolitische«. Kamen Schwangere in das KZ, wurden sie in manchen Fällen zur Abtreibung gezwungen. Es gab andererseits aber auch einen Geburtenblock. Die meisten der dort geborenen Kinder überlebten nicht. Im KZ Ravensbrück starben etwa 28 000 Menschen durch schlechte Versorgung, schwerste Arbeit und gezielte Mordaktionen.
Allein zwischen September 1944 und April 1945 wurden mindestens 522 Kinder im KZ Ravensbrück geboren.
Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück
»Ich hatte gehofft, mein Suchen sei nun zu Ende. Aber zu meinem größten Kummer saß mir eine völlig fremde Frau gegenüber.«
Ingelore Prochnow war zum Zeitpunkt ihrer Befreiung erst ein Jahr alt und kann sich an die Zeit im KZ Ravensbrück nicht erinnern. Dennoch haben die frühkindlichen Erfahrungen von Hunger, Kälte, Gewalt und Angst ihr Leben dauerhaft geprägt. Ingelore betont immer wieder, dass diese traumatischen Erfahrungen sich über Generationen fortschreiben und auch auf ihre eigenen Kinder Einfluss haben. Erst als Erwachsene fand Ingelore in der Lagergemeinschaft Ravensbrück den Trost und den Halt, den sie sich ihr Leben lang gewünscht hatte. Ihre brennendste Frage war, wie sie als Säugling die KZ-Haft hatte überleben können. Die älteren Überlebenden berichteten ihr daraufhin von der Solidarität unter den Frauen, die sich gemeinsam um das Überleben der Neugeborenen bemüht hatten.
Für die Gedenktafel hatte sich Ingelore Prochnow eingesetzt.
Foto: Britta Pawelke. Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück
trotzdem da! – Kinder aus verbotenen Beziehungen zwischen Deutschen und Kriegsgefangenen oder Zwangsarbeiter*innen ist ein Projekt der Gedenkstätte Lager Sandbostel. Es wird in der Bildungsagenda NS-Unrecht von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) gefördert.
Kooperationspartner*innen sind die KZ-Gedenkstätte Neuengamme, das Projekt Multi-peRSPEKTif (Denkort Bunker Valentin / Landeszentrale für politische Bildung Bremen) und das Kompetenzzentrum für Lehrer(innen)fortbildung Bad Bederkesa.
trotzdem da! – Kinder aus verbotenen Beziehungen zwischen Deutschen und Kriegsgefangenen oder Zwangsarbeiter*innen ist ein Projekt der Gedenkstätte Lager Sandbostel. Es wird in der Bildungsagenda NS-Unrecht von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) gefördert.
Kooperationspartner*innen sind die KZ-Gedenkstätte Neuengamme, das Projekt Multi-peRSPEKTif (Denkort Bunker Valentin / Landeszentrale für politische Bildung Bremen) und das Kompetenzzentrum für Lehrer(innen)fortbildung Bad Bederkesa.