Karin Müller wurde in Breslau, dem heutigen Wrocław in Polen, geboren. Am Kriegsende floh ihre Familie nach Potsdam, wo Karin aufwuchs. 1955 zogen sie in die Stadt Heilbronn. Nach der Schule arbeitete Karin als Bürokauffrau. Später ging sie nach London, wo ihr Sohn Markus geboren wurde. Weil sie als alleinerziehende Mutter Unterstützung durch ihre Familie brauchte, zog sie mit Markus Ende 1966 zurück nach Heilbronn. Dass sie adoptiert war, erfuhr Karin erst, als sie für die Hochzeit mit ihrem späteren Mann Peter Müller eine Geburtsurkunde benötigte. Damals war sie 28 Jahre alt. Ihre Adoptivmutter war bereits verstorben, und ihr Adoptivvater erzählte ihr nichts über die Umstände der Adoption und ihre leiblichen Eltern.
In den folgenden Jahrzehnten versuchte Karin, etwas über ihre Herkunft herauszufinden. Sie befragte die Familie ihrer Adoptiveltern und schrieb Behörden und Archive an, blieb aber ohne Erfolg. Im Alter von 75 Jahren entschied sie sich, eine DNA-Analyse durchführen zu lassen, um so nach Verwandten zu suchen. In der Datenbank des Labors waren tatsächlich zwei Verwandte registriert, mit denen Karin Kontakt aufnahm und die ihr mehr über ihre leiblichen Eltern mitteilen konnten.
Zu ihrem Adoptivvater hatte Karin ein inniges Verhältnis. Als er ihr von der Adoption erzählte, versicherte er ihr, dass sie für ihn immer seine Tochter gewesen sei und es auch bleiben würde.
Foto: unbekannt. Privatbesitz Müller
Das Labor vergleicht die Ergebnisse der DNA-Analysen aller Kund*innen. Werden Verwandte nachgewiesen, können sie Kontakt zueinander aufnehmen. So hat Karin Ronny L. und Dino M. gefunden.
Daten: Privatbesitz Müller, Grafik: Katrin Bahrs
Mithilfe der DNA-Analyse konnte Karin Müller Kontakt zu ihrem Großneffen Ronny L. aufnehmen. Sie vermuteten, Ronnys Urgroßmutter Ella V. sei Karins Mutter. Sie war eine alleinerziehende Frau, die mit ihren drei Töchtern von 1940 bis 1945 auf einem Bauernhof in einem Dorf bei Liegnitz, dem heutigen Legnica in Polen, lebte. Laut der DNA-Analyse war Ella jedoch offenbar Karins Großmutter. Da sie sich bei Karins Geburt als Mutter eintragen ließ, vermutet Karin, dass sie ihre älteste Tochter Ruth schützen wollte. Ronnys Großtante erinnerte sich aber an einen jungen Franzosen, der auf dem Bauernhof arbeiten musste und der Ruth regelmäßig besuchte. Er habe erzählt, dass er zur Arbeit gezwungen worden sei, und habe häufig auf die Deutschen geschimpft. Dino M., ein Cousin zweiten Grades in Frankreich, konnte Karin jedoch nur wenig über die Geschwister seines Großvaters mitteilen. Einer der Söhne dieser Geschwister muss Karins Vater gewesen sein. Sie vermutet, dass er der französische Zwangsarbeiter oder Kriegsgefangene war, zu dem ihre Mutter damals Kontakt hatte.
»Alle haben Verwandtschaft, sehen irgendjemandem ähnlich – und bei mir war nichts.«
Nachdem Karin von ihrer Adoption erfahren hatte, vermutete sie aufgrund ihres Geburtsortes und Geburtsjahres, dass ihre Biografie mit der Geschichte des Nationalsozialismus zusammenhängt. Zu ihren leiblichen Eltern gibt es für Karin auch heute noch offene Fragen. Von ihrem biologischen Vater weiß sie nicht einmal den Namen. Karin Müller wünscht, sie hätte mehr über ihre Eltern in Erfahrung bringen können, ist aber trotzdem froh über die wenigen Informationen, die sie erhalten hat.
Mit den Informationen ihres Großneffen Ronny L. war es Karin möglich, 2020 ihre Geburtsurkunde in Wrocław in Polen anzufordern. Als Mutter ist darin Ella V. angegeben, die aber offenbar Karins Großmutter ist.
Privatbesitz Müller
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ordneten die alliierten Siegermächte die Grenzen in Europa neu an. Große Teile im Osten des bisherigen Deutschen Reiches wurden an Polen und die Sowjetunion übertragen. Fast die gesamte deutsche Bevölkerung war bereits während der Krieges aus diesen Gebieten geflohen oder verließ sie nach den Grenzverschiebungen – auch unter Zwang. Für Kinder aus verbotenen Beziehungen, die in Deutschland aufgewachsen sind, ist es oftmals eine zusätzliche Herausforderung bei ihrer Suche nach Informationen zu ihrer Herkunft, Behörden und Archive in Polen oder Russland zu kontaktieren.
Ebenfalls dargestellt ist die Grenze der Westzonen zur sowjetischen bzw. der Bundesrepublik zur 1945 bis 1990.
Die 1945 an Polen übertragenen Gebiete sind dunkel hervorgehoben, die 1945 an die Sowjetunion übertragenen Gebiete hell.
Grafik: Katrin Bahrs
Karin Müller wurde in Breslau, dem heutigen Wrocław in Polen, geboren. Am Kriegsende floh ihre Familie nach Potsdam, wo Karin aufwuchs. 1955 zogen sie in die Stadt Heilbronn. Nach der Schule arbeitete Karin als Bürokauffrau. Später ging sie nach London, wo ihr Sohn Markus geboren wurde. Weil sie als alleinerziehende Mutter Unterstützung durch ihre Familie brauchte, zog sie mit Markus Ende 1966 zurück nach Heilbronn. Dass sie adoptiert war, erfuhr Karin erst, als sie für die Hochzeit mit ihrem späteren Mann Peter Müller eine Geburtsurkunde benötigte. Damals war sie 28 Jahre alt. Ihre Adoptivmutter war bereits verstorben, und ihr Adoptivvater erzählte ihr nichts über die Umstände der Adoption und ihre leiblichen Eltern.
In den folgenden Jahrzehnten versuchte Karin, etwas über ihre Herkunft herauszufinden. Sie befragte die Familie ihrer Adoptiveltern und schrieb Behörden und Archive an, blieb aber ohne Erfolg. Im Alter von 75 Jahren entschied sie sich, eine DNA-Analyse durchführen zu lassen, um so nach Verwandten zu suchen. In der Datenbank des Labors waren tatsächlich zwei Verwandte registriert, mit denen Karin Kontakt aufnahm und die ihr mehr über ihre leiblichen Eltern mitteilen konnten.
Zu ihrem Adoptivvater hatte Karin ein inniges Verhältnis. Als er ihr von der Adoption erzählte, versicherte er ihr, dass sie für ihn immer seine Tochter gewesen sei und es auch bleiben würde.
Foto: unbekannt. Privatbesitz Müller
Das Labor vergleicht die Ergebnisse der DNA-Analysen aller Kund*innen. Werden Verwandte nachgewiesen, können sie Kontakt zueinander aufnehmen. So hat Karin Ronny L. und Dino M. gefunden.
Daten: Privatbesitz Müller, Grafik: Katrin Bahrs
Mithilfe der DNA-Analyse konnte Karin Müller Kontakt zu ihrem Großneffen Ronny L. aufnehmen. Sie vermuteten, Ronnys Urgroßmutter Ella V. sei Karins Mutter. Sie war eine alleinerziehende Frau, die mit ihren drei Töchtern von 1940 bis 1945 auf einem Bauernhof in einem Dorf bei Liegnitz, dem heutigen Legnica in Polen, lebte. Laut der DNA-Analyse war Ella jedoch offenbar Karins Großmutter. Da sie sich bei Karins Geburt als Mutter eintragen ließ, vermutet Karin, dass sie ihre älteste Tochter Ruth schützen wollte. Ronnys Großtante erinnerte sich aber an einen jungen Franzosen, der auf dem Bauernhof arbeiten musste und der Ruth regelmäßig besuchte. Er habe erzählt, dass er zur Arbeit gezwungen worden sei, und habe häufig auf die Deutschen geschimpft. Dino M., ein Cousin zweiten Grades in Frankreich, konnte Karin jedoch nur wenig über die Geschwister seines Großvaters mitteilen. Einer der Söhne dieser Geschwister muss Karins Vater gewesen sein. Sie vermutet, dass er der französische Zwangsarbeiter oder Kriegsgefangene war, zu dem ihre Mutter damals Kontakt hatte.
»Alle haben Verwandtschaft, sehen irgendjemandem ähnlich – und bei mir war nichts.«
Nachdem Karin von ihrer Adoption erfahren hatte, vermutete sie aufgrund ihres Geburtsortes und Geburtsjahres, dass ihre Biografie mit der Geschichte des Nationalsozialismus zusammenhängt. Zu ihren leiblichen Eltern gibt es für Karin auch heute noch offene Fragen. Von ihrem biologischen Vater weiß sie nicht einmal den Namen. Karin Müller wünscht, sie hätte mehr über ihre Eltern in Erfahrung bringen können, ist aber trotzdem froh über die wenigen Informationen, die sie erhalten hat.
Mit den Informationen ihres Großneffen Ronny L. war es Karin möglich, 2020 ihre Geburtsurkunde in Wrocław in Polen anzufordern. Als Mutter ist darin Ella V. angegeben, die aber offenbar Karins Großmutter ist.
Privatbesitz Müller
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ordneten die alliierten Siegermächte die Grenzen in Europa neu an. Große Teile im Osten des bisherigen Deutschen Reiches wurden an Polen und die Sowjetunion übertragen. Fast die gesamte deutsche Bevölkerung war bereits während der Krieges aus diesen Gebieten geflohen oder verließ sie nach den Grenzverschiebungen – auch unter Zwang. Für Kinder aus verbotenen Beziehungen, die in Deutschland aufgewachsen sind, ist es oftmals eine zusätzliche Herausforderung bei ihrer Suche nach Informationen zu ihrer Herkunft, Behörden und Archive in Polen oder Russland zu kontaktieren.
Ebenfalls dargestellt ist die Grenze der Westzonen zur sowjetischen bzw. der Bundesrepublik zur 1945 bis 1990.
Die 1945 an Polen übertragenen Gebiete sind dunkel hervorgehoben, die 1945 an die Sowjetunion übertragenen Gebiete hell.
Grafik: Katrin Bahrs
trotzdem da! – Kinder aus verbotenen Beziehungen zwischen Deutschen und Kriegsgefangenen oder Zwangsarbeiter*innen ist ein Projekt der Gedenkstätte Lager Sandbostel. Es wird in der Bildungsagenda NS-Unrecht von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) gefördert.
Kooperationspartner*innen sind die KZ-Gedenkstätte Neuengamme, das Projekt Multi-peRSPEKTif (Denkort Bunker Valentin / Landeszentrale für politische Bildung Bremen) und das Kompetenzzentrum für Lehrer(innen)fortbildung Bad Bederkesa.
trotzdem da! – Kinder aus verbotenen Beziehungen zwischen Deutschen und Kriegsgefangenen oder Zwangsarbeiter*innen ist ein Projekt der Gedenkstätte Lager Sandbostel. Es wird in der Bildungsagenda NS-Unrecht von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) gefördert.
Kooperationspartner*innen sind die KZ-Gedenkstätte Neuengamme, das Projekt Multi-peRSPEKTif (Denkort Bunker Valentin / Landeszentrale für politische Bildung Bremen) und das Kompetenzzentrum für Lehrer(innen)fortbildung Bad Bederkesa.